Wir amüsieren uns zu Tode. Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie

Aus Bookpedia Bücher einfach erklärt
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Daten zum Buch
Deutscher Titel: Wir amüsieren uns zu Tode. Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie
Autor(en): Neil Postman
Herausgeber:
Erscheinungsort: München
Verlag: Fischer Taschenbuch Verlag
Serie: Fischer Taschenbuch
Erscheinungsjahr: 1985
Seitenanzahl: 206 Seiten
Originaltitel: -
Originalsprache: deutsch
ISBN-10: 3596242851
ISBN-13/

EAN-Code:

978-3596242856
Schlagwörter: Medientheorie, Medienkritik
Sachgebiete: Medientheorie
Rezensionen
  • momentan liegen keine Rezensionen vor

Neil Postman hat mit seiner bereits in den 80er Jahren entstandenden Kritik am Medium des Fernsehens einen Klassiker der Medientheorie und Medienkritik verfasst, der bis heute viel zitiert und rezipiert wurde. Das Buch gliedert sich in zwei große Teile. In einem ersten Teil versucht Postman eine theoretische Begründung seiner These zu liefern, wonach das elektronische Zeitalter, wie er das Fernsehzeitalter nennt, das Zeitalter des Buches abgelöst habe, wobei dadurch die Grundlagen der amerikanischen Kultur bedroht seien. In dem zweiten Teil liefert Postman eine epistemologische Untersuchung des Fernsehzeitalters und seiner Ablösung der Textsprache durch die Bildersprache.

Postman beginnt seine Kritik zunächst mit der Feststellung, dass seiner Meinung nach nicht die Orwellsche Schreckensvision eines Überwachungsstaates Realität geworden sei, so wie sie in der Sowjetunion anzutreffen sei, sondern die Vision Huxleys, die, aus seiner Sicht viel schlimmer, den Menschen in die selbst gewählte Unmündigkeit treibt.

Mit McLuhan möchte Postman dann zeigen, dass neue Medien die Struktur von Denken, Fühlen und Handeln von ganzen Gesellschaften verändern können. Die Bilder des Fernsehens haben seiner Meinung nach die lineare, auf Verstand und Rationalität aufbauende Buchkultur zerstört. Postmann holt an dieser Stelle weiter aus und zeigt auf, wie die Buchkultur letztlich Grundlage der gesamten amerikanischen Kultur seit der Kolonisierung gewesen war. Aus der puritanischen Anschauung entstand ein Primat des Lesens und Schreibens, das letztlich eine "klassenlose Lesekultur" (49) entstehen ließ, in der Lesen und Schreiben allen Schichten zu gleichen Teilen offen stand. Letztlich, so Postman, sei der amerikanische Staat von Intellektuellen gegründet worden.

In seiner Epistemologie des Fernsehens liefert Postman schließlich den Grund dafür, warum das intellektuelle Amerika sich in ein anti-intellektuelles verwandelt habe. Das Fernsehen zerstöre das logische, rationale Denken, da Gedanken zugunsten der "optischen Anziehungskraft" (115) zurückstehen müssten. Zudem stehe die Unterhaltung bei jeder Darstellung im Mittelpunkt und nicht die Vermittlung von Wissen und Erfahrung wie im Buch; wir hätten uns längst daran gewöhnt, dass der Moderator eben noch ernst gewesen hätte, um dann fröhlich zum Wetter überzugehen, das selbst längst nur ein Teil der Unterhaltung geworden sei. (110 ff.) Postman geht sogar so weit, das Fernsehen und seine vorgeblichen Nachrichtensendungen als "einen Diskurstyp" zu bezeichnen, der "Logik, Vernunft, Folgerichtigkeit und Widerspruchslosigkeit preisgegeben hat" (130). Zudem sieht Postman durch den Niedergang der Schreibkultur in der 3. Bildungskrise des Abendlandes. Die 1. Krise sei durch die Etablierung der Schriftkultur bei den Griechen, die 2. durch die Einführung der Buchpresse entstanden und die 3. nun durch den Einsatz des Fernsehens. (177).

Als Ausweg aus dieser Bildungsmisere empfiehlt Postman jedoch nicht die Abschaffung oder das Verbot des Fernsehens, was er nicht (mehr) für möglich hält, nicht einmal mehr die Begrenzung der Sendezeit auf eine Kernzeit, sondern Postman empfiehlt die Entmythologisierung des Mediums durch das Fragenstellen. (195 ff.) Postman glaubt, dass man alleine durch Fragen den Medium des Fernsehens auf die Schliche kommen kann und dass der einzige Ort, wo man diese Fragen den Kindern beibringen kann, nicht das Fernsehen ist, sondern die Schule. Postman erkennt hier den klassischen Auftrag zur Erlangung einer Medienkompetenz über den klassischen pädagogischen Weg, denn, so seine Meinung, noch schlimmer als Unterhaltungssendungen sind solche Sendungen, die vorgeben, Kultur oder Bildung angemessen transportieren zu wollen; das beherrscht nur das klassische Bildungssystem.

Denis Diderot 11:38, 15. Jun 2008 (CEST)