Ende der Hypnose. Vom Netz und zum Buch

Aus Bookpedia Bücher einfach erklärt
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Daten zum Buch
Deutscher Titel: Ende der Hypnose. Vom Netz und zum Buch
Autor(en): Roland Reuß
Herausgeber:
Erscheinungsort:
Verlag: Stroemfeld
Serie:
Erscheinungsjahr: 2012
Seitenanzahl: 128 Seiten
Originaltitel: '
Originalsprache: deutsch
ISBN-10: 386600141X
ISBN-13/

EAN-Code:

978-3866001411
Schlagwörter: Buch, E-Book, Neue Medien, Social Media
Sachgebiete: Buchwissenschaft
Rezensionen
  • momentan liegen keine Rezensionen vor

Der Literaturwissenschaftler Roland Reuß, der auch als Mitinitiator des Heidelberger Appells bekannt geworden ist, fasst in halb literarischer, halb wissenschaftlicher Form seine Bedenken und Vorbehalte gegen die fortschreitende und kritiklos hingenommene Digitalisierung unserer Welt in seinem Buch Ende der Hypnose zusammen, wobei er sich bei der Hypnose auf Marshall McLuhan bezieht, der durch die elektrischen Medien eine kollektive Hypnose heraufziehen sah. Reuß sieht sein Büchlein als "Vorarbeiten für eine Renaissance" (20).

Reuß konstatiert zunächst durch die fortschreitende Digitalisierung eine Fragmentierung der Existenz. Durch Handys entstehe der Zwang immer präsent und verfügbar zu sein (18) und der Computer am Netz erzeuge eine permanente Entgrenzung und Zerstreuung (88). Noch schlimmer wiegt aus Reuß Sicht jedoch die Zerstörung der Buchkultur und des nonkonformistischen Autors, er schreibt: "Man nimmt, unfähig dazu, um die nächste Ecke zu schauen, die Eliminierung verantwortlicher und unabhängiger Autorschaft (...), den Zusammenbruch des Verlagsbereichs und den Kollaps des nicht monopolistischen Buchhandels in Kauf und arbeitet unbewußt und unentgeldlich jenen global agierenden Konzernen in die Hände, die sich das kulturelle Gedächtnis im Horizont des zynisch-spätkapitalistischen Geschäftsmodell-Denkens einverleiben wollen." (73) Zudem sieht Reuß ein "korrumpierende(s) Primat allesunterjochender Werbung" (28) am Werk dieser Internetfirmen. Wer diese "gutfinde", scheide für eine Reform der Gesellschaft aus.

Auch an der kapitalistischen Ausrichtung der Forschung im Sinne einer reinen Drittmitteleinwerbung übt Reuß Kritik. (43 ff) Es werden aus Sicht von Reuß zunehmend nur noch solche Schwerpunkte in der Forschung ausgewählt, für die man eine große Drittmitteleinwerbung erwarte, aber nicht die, die die Erkenntnis voranbringe.

Durch diese Tendenzen werde, so Reuß, der Mensch nur noch geringer, wie er Nietzsche zitiert. (80)

Als einzigen Gegenpunkt zu dieser Tendenz sieht Reuß vor allem immer noch das Buch. Daher auch der programmatische Untertitel des Buches: Vom Netz zum Buch. Allein im Buch sieht Reuß einen Kontrapunkt zur Zerstreuung. Das Buch ist ein abgeschlossener, qualitativ hochwertiger Raum, ein "stabiler Zusammenhang" (104), der Aufmerksamkeit und Konzentration fördert, die Reuß im Internet verloren gegangen sieht. (94) Reuß möchte durch sein Buch dabei helfen, Autoren, Verlage und den Buchhandel vor dem digitalen fallout zu schützen: durch Kritik als Vorarbeit einer neuen Renaissance. (101) Menschen, die von der "Content-Mafia" redeten, so Reuß, ginge es eigentlich nur darum, Verlage und das Buch zu liquidieren und damit die Kultur der Qualität, die diese hervorgebracht hätten. (100) Aber ohne das "tetragone, wideständige Buch" werde es keine Kultur mehr geben, so Reuß.

Bewertung

Die Gedanken, Analysen und die Kritik von Reuß zur allumfassenden Digitalisierung sind richtig und wichtig in einer Zeit, in der die Digitalisierung unsere Gesellschaft und Kultur so sehr ändert, dass Gesetze, Institutionen und Menschen kaum hinterherkommen. Dennoch lässt der Text in seiner reinen Rückwärtsgewandheit und der Festlegung auf eine reine Buchkultur auch eine entscheidende Lücke. Denn zweifelsohne ändert sich unsere Kultur durch die Digitalisierung und nicht nur zum Guten, aber eben auch zum Guten und nicht nur zum Schlechten. In den einfachen Zugangsmöglichkeiten zu Wissen und Publikationsmöglichkeiten liegt eben doch auch eine Demokratisierung der Mittel, aber eben gerade darum bedarf es etablierter Wegweiser (Verlage und Verleger) und etablierter Autoren, die aus der Masse heraus verlässliche Qualität produzieren. Man wünscht sich eben Beides und nicht nur die alte oder die neue Kultur. Ein Buch, das dies aufzeigt, ist und bleibt ein großes Desiderat. Dieses wäre dann in der Tat eine Vorarbeit zu einer echten Rennaissance im Zeitalter der Digitalisierung.

Denis Diderot 14:44, 17. Jul 2013 (CEST)