Der Affe in uns. Warum wir sind, wie wir sind
Daten zum Buch | |
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Deutscher Titel: | Der Affe in uns. Warum wir sind, wie wir sind |
Autor(en): | Frans de Waal |
Herausgeber: | |
Erscheinungsort: | München |
Verlag: | DTV |
Serie: | |
Erscheinungsjahr: | 2009 |
Seitenanzahl: | 384 Seiten |
Originaltitel: | Our Inner Ape. A Leading Primatologist Explains Why We Are Who We Are |
Originalsprache: | deutsch |
ISBN-10: | 3423345594 |
ISBN-13/
EAN-Code: |
978-3423345590 |
Schlagwörter: | Evolution, Biologie |
Sachgebiete: | Evolution |
Rezensionen | |
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Der niederländische Zoologe und Verhaltensforscher Frans de Waal zeigt in seinem Buch auf, dass der Mensch nicht nur zu 98% den gleichen Genpool wie Menschenaffenarten (Schimpansen, Gorillas, Bonobos und Oran Utangs) hat, sondern dass auch viele Verhaltensweisen der Menschen den Affen sehr ähnlich sind. Dabei zeigt Waal, dass wir nicht, wie häufig kolportiert, darüber hinaus nicht nur die gewaltätigen, "männlichen" Züge der Schimpansen in uns haben, sondern auch genauso die ausgleichenden, weichen Züge der Bonobos ins uns zu finden sind. So sind wir nach Ansicht Waals bipolare Säugetiere (295 ff), was zugleich jedoch auch die Stärke der Menschheit und ihren evolutionär betrachtet: beispiellosen Erfolg ausmacht.
Waal geht insbesondere auf die Bonobos ein, die erst 1929 entdeckt worden sind (19ff) und selbst heute in Zoos eher selten anzutreffen sind, weil sie ein sehr ausgeprägtes Sexualleben haben und jeden Stress im Sozialgefüge mit Sex kompensieren, was für Zoobesucher verstörend wirken kann. So konstatiert Waal, dass Schimpansen sexuelle Konflikte durch ihre Machtstellung lösen, Bonobos dagen Machtkonflikte durch Sex. (31) Während Schimpansen sehr brutal in ihrem Zusammenleben agieren können, etwa indem sie die Nachkommen von fremden, vorherigen Herrschern der Gruppe töten, existiert eine solche Tötung bei den Bonobos in der Regel nicht, was auch daher rührt, dass die Vaterschaft bei den Bonobos durchaus nicht klar ist und die Gefahr bestünde, sein eigenes Kind zu töten. (146) Auch könnten Rivalen bei den Bonobos ohne es zu wissen Brüder sein und ein Kampf um Weibchen ist bei den Bonobos nicht nötig, da Jeder mit Jedem kopuliert. (190) Während Bonobos im Schnitt alle 1 1/2 Stunden Sex miteinander haben, kommt es bei Schimpansen durchschnittlich nur alle 7 Stunden zu sexuellem Kontakt. (135) So herrscht laut Waal unter den Bonobos eine Art Matriachart (94) und unter den Schimpansen ein Patriachart, während bei den Menschen eine Mischform zu konstatieren ist. Der Mensch hat den größten Penis und das größte Hirn unter allen Primaten. (123)
Waal weist zudem darauf hin, dass die Bonobos den Menschen in erstaunlicher Art und Weise ähnlich sind. So kennen die Bonobos beim Sex die Missionarsstellung, schauen sich beim Sex in die Augen und kennen sogar gleichgeschlechtliche Liebe als sziale Funktion, wobei Bonobos nie nur homosexuell agieren. Waal macht so deutlich, dass unter den Affen Sex definitiv nicht nur der Reproduktion dient, sondern eine gesellschaftliche Funktion hat. (131) Allerdings gibt es auch beim Menschen Alleinstellungsmerkmale, z.B. indem die Menschen in der Regel keinen Sex in der Öffentlichkeit wie die Bonobos haben. (175)
Doch Waal macht nicht nur auf dieses tierische Erbe der gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Menschenaffen aufmerksam, sondern auch, dass wir noch sehr viele affenartige Verhaltensweisen haben, die uns manchmal gar nicht mehr so bewusst sind. So weist Waal etwa darauf hin, dass wir in der Arbeitswelt bei einem Businesstreffen sofort ein "feines Gespür für Machtverhältnisse" haben und die Hackordnung sofort nonverbal einordnen können. (79) So stellte man in Untersuchungen z.B. fest, dass sich zwei Menschen, die sich unterhalten, sich in ihren Stimmen auf einen Grundton unbewusst einigen, wobei der Ton immer der des sozial höher Gestellten ist. (81) Auch Körpersprache sagt nach Waal so viel aus, dass wir jemanden an seiner Körpersprache beim Lügen erkennen können.
Interessant ist auch, dass Waal darauf hinweist, dass wir glauben, der Mensch entwickle sich weiter, während andere Affenarten am Ende ihrer Entwicklung angekommen seien. Waal zeigt jedoch, dass es gerade der Mensch durch seine Naturbeherrschung geschafft habe, das Fortschreiten der evolutionären Selektion aufzuhalten, (310) wobei Waal meint, dass der Mensch eigentlich aus seiner natürlichen Beschaffenheit nicht für Millionenstädte gemacht sei bzw. sich evolutionär noch nicht an diese Bedingung habe anpassen können. (318)
== Bewertung: == Das Buch des Verhaltensforschers Waal öffnet die Augen vor einer Wahrheit, die der Mensch nicht immer gleich wahrhaben will: Dass wir in viel stärkerer Art und Weise den Affen ähneln als uns lieb ist und dass wir biologische, unbewusste, quasi natürliche Verhaltensweisen haben, bei der die viel gelobte Rationalität der Menschheit eine viel kleinere Roll spiel, als wir gerne vorgeben. Zudem weist Waal wohl vollkommen zu Recht darauf hin, dass unsere Spezies nicht nur durch Konkurrenz zu dem geworden ist, was sie ist, sondern vor allem auch durch Kooperation. Für beide Verhaltsarten gibt es polare Vorbilder aus der Affenwelt, was wirklich sehr erstaunlich ist. Allerdings springt Waal an einigen wenigen Stellen auch zu weit, z.B. indem er behauptet, dass der Reproduktionstrieb der Kern der Existenz ist. (171) Das mag vielleicht aus einer evolutionären Sichtweise heraus so sein, für das einzelne Individuum muss das keineswegs so sein. Und Waal hat durchaus Recht, wenn er aufzeigt, dass Hierarchien und ein funktionierenden Sozialgefüge elementar für den Menschen sind (76), dennoch können soziale Unterschiede auch nicht einfach mit biologisch-evolutionären Notwendigkeiten wegdiskutiert werden. Denn manches mal sind gerade die sozialen Unterschiede das Ergebnis künstlicher, Menschen gemachter Prozesse der Wirtschaft und entspringen nicht einer natürlichen Ordnung.
Denis Diderot 00:15, 6. Mai 2012 (CEST)