Theorien alternativen Wirtschaftens. Fenster in eine andere Welt
Daten zum Buch | |
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Deutscher Titel: | Theorien alternativen Wirtschaftens. Fenster in eine andere Welt |
Autor(en): | Gisela Notz |
Herausgeber: | |
Erscheinungsort: | Stuttgart |
Verlag: | Schmetterling Stuttgart |
Serie: | |
Erscheinungsjahr: | 2012, 2. Auflage |
Seitenanzahl: | 256 Seiten |
Originaltitel: | - |
Originalsprache: | deutsch |
ISBN-10: | 3896576763 |
ISBN-13/
EAN-Code: |
978-3896576767 |
Schlagwörter: | Wirtschaftsgeschichte, alternative Wirtschaft, Frühsozialisten, Genossenschaften, Konsumvereine, Kommunen |
Sachgebiete: | Wirtschaftsgeschichte |
Rezensionen | |
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Gisela Notz stellt in ihrem Buch Theorien alternativen Wirtschaftens. Fenster in eine andere Welt die theoretischen Grundlagen alternativer Wirtschaftsmodelle ausgehend von den Utopisten des 16. und 17. Jahrhunderts über anarchistische, sozialistische und kommunistische Modelle des 19. und 20. Jahrhunderts bis hin zu den Ansätzen alternativen und feministischen Wirtschaftens unserer heutiger Zeit, die im Nachgang der 1968er-Bewegung entstanden und sich bis heute zu einer Theorie der commons based peer production weiterentwickelt haben, in knappen, aber präzisen Kapiteln vor.
Zunächst geht Notz auf die sogenannten "utopischen" Gesellschaftsentwürfe von Thomas Morus "Utopia", Tommaso Campanellas "Sonnenstaat" und Charles Fouriers "Harmonie" ein, in denen bereits das Grundthema alternativer Wirtschaftstheorie gelegt worden ist. Sowohl bei Morus als auch bei Campanella finden sich bereits die Vorstellungen einer Aufhebung des Privateigentums, in der das Arbeiten nur der grundlegenden Bedürfnisbefriedigung dient und die notwendige Arbeiten auf ein Minimum reduziert worden sind (33 f.). Charles Fourier, der bereits den Frühsozialisten zugerechnet wird, nimmt mit seinen genossenschaftlichen Vorstellungen überdies die sexuelle Befreiung der Menschen in den Blick, weshalb er zu seiner Zeit bereits Verfolgungen ausgesetzt war. Zuletzt geht Notz noch auf Robert Owen ein, der vor allem mit seinen basisdemokratischen Vorstellungen ein Vordenker der genossenschaftlichen und der gartenstädtischen Bewegung geworden ist und dem das Verdienst zufällt, auch das Thema der Bildung für alle thematisiert zu haben.
Nach den utopischen wendet sich Notz den anarchistischen Entwürfen zu, mit denen praktische Überlegungen, wie der Zustand einer anderen Gesellschaft erreicht werden könne, in den Vordergrund treten. Bei Gustav Landauer (1870-1919) sieht die Autorin bereits zwei wesentliche Überlegungen wirken, die später auch immer wieder Grundlage alternativer Theorien geworden sind. Zum einen die Idee der "Absonderung zur Gemeinschaft" (39), also die Überlegung, sich dem Kapitalismus in einer Genossenschaft oder Kommune zu entziehen und die Idee einer alternativen Währung, weshalb er die Ideen Silvio Gesells eines "Freigelds" unterstützte.
Nach der Beschreibung der utopischen und praktisch-anarchistischen Theorien geht Notz auf die sozialistischen ein, die in den wissenschaftlichen Sozialismustheorien von Karl Marx und Friedrich Engels mündeten, deren Hauptgewicht eher auf der Analyse des Bestehenden und weniger auf den utopischen Ausblick gerichtet war. (47) Der zentrale Gedanke von Marx, der sich so auch schon bei William Thompson (1785-1833) findet, ist die sogenannte Mehrwertlehre, nach der nur die Arbeit die alleinige Quelle des Reichtums ist und sich aus dieser Überlegung heraus, eine andere Verteilung des Reichtums in der Gesellschaft hin zu den Arbeitern ergeben müsse. Für Marx bestand zudem kein Zweifel daran, dass der Weg zur klassenlosen Gesellschaft nicht über die Genossenschaftsbewegung, sondern nur über die Arbeiterbewegung gehen könne. Einen weiteren wichtigen Punkt aus sozialistischer Perspektive brachte zudem August Bebel mit seinem Buch Die Frau und der Sozialismus in die Debatte ein. Denn nach Bebel sollte nicht nur die Arbeit in der Fabrik betrachtet werden, sondern sämtliche gesellschaftliche Arbeit, also auch die der Haus- und Reproduktionsarbeiten sowie Arbeiten für Kunst und Kultur. (49) Mit den Debatten zwischen den "Revisionisten" (Eduard Bernstein) und den "Radikalen" (Rosa Luxemburg) in der SPD kamen Anfang der 20. Jahrhunderts schließlich wieder mehr praktische Fragen in den Blickpunkt der theoretischen Überlegungen. Hintergrund war die Frage, ob "die Umbildung der herrschenden kapitalistischen Ordnung" (50) über Reformen oder nur über eine vollständige gesellschaftliche Umbildung erreicht werden könnte und ob auf dem Weg der Umbildung z.B. Produktionsgenossenschaften in der Hand von Arbeitern die richtigen Maßnahmen seien. Luxemburg sah Genossenschaften nur dann als überlebensfähig an, wenn sie als "Konsumvereine" sich ihre festen Absatzmärkte sichern würden und sich so der reinen kapitalistischen Logik entziehen würden. (89)
Notz widmet sich in längeren Kapiteln zudem der sozialistischen Genossenschaftsbewegung (54 ff), da diese für das Thema des alternativen Wirtschaftens zentral ist. Nach Notz gibt es drei Grundprinzipien der Genossenschaften, namtlich das Förder-, Identitäts- und das Demokratieprinzip (60). In der Genossenschaft soll zum einen die Produktion zur Bedürfnisbefriedigung vor der Kapitalverwertung stehen, zum anderen aber auch Anbieter und Nutzer eine gemeinsame Einheit bilden. Außerdem muss die Genossenschaft eine hierarchiefreie Organisationsform besitzen. Detailliert geht Notz auch auf das Oppenheimersche Transformationsgesetz (1896) ein, nach dem Genossenschaften entweder an ihrem Erfolg oder an ihrem Misserfolg scheitern. (63 f). Oppenheimer hatte sich dazu die Entwicklung von Genossenschaften angesehen und 4 Phasen ihrer Entwicklung beschrieben. Oppenheimer sah die Gründungsphase, die Phase Kampf ums Überleben und die schon wenig erreichte Phase der Auswahl des Passenden. Die Altersphase erreichen nur wenige Genossenschaften und zudem lässt sich in dieser Phase "kein qualitativer Unterschied zum kapitalistischen Unternehmen mehr feststellen" (64). Oppenheimer analysierte drei Hauptprobleme der Genossenschaften: 1) die Finanzierung, 2) der notwendige Absatz und 3) die Disziplin. Zudem konnte es keine analysierte Genossenschaft mit einem Großunternehmen aufnehmen.
Ausführlich geht Notz auch auf Gesells Theorie der natürlichen Wirtschaftsordnung ein, die "eine von Zins und Bodeneigentum befreite Marktwirtschaft" erschaffen möchte und nicht nur in anarchistischen Kreisen, sondern auch bis heute sehr weitreichenden Einfluss hat. Kernpuntk des Gesellschen Models war nämlich das Konzept des Freigeldes, das eine schleichende Entwertung des Geldes an sich vorsah, so dass man durch das Geld quasi genötigt wird, es schnell wieder zum Nutzen der Wirtschaft auszugeben. Notz führt jedoch auch die Kritik an Gesell auf, da dieser die Marxsche Mehrwertlehre nicht einbezogen bzw. beleuchtet habe und zudem dass die Gesellsche Vorstellung von schlechtem Kapital, das gehortet wird, sehr nah an der NS-Ideologie von schaffendem und raffendem Kapital sei.
Abschließend geht Notz auch auf die aktuellen Theorien alternativen Wirtschaftens ein, die sich im Zuge der 68-Bewegung etabliert haben. Nach Waldemar Schindowski gibt es 5 Hauptmotive, die für die Entwicklungen der 70er-Jahre ausschlaggebend waren. Zum einen der Wunsch nach der Einheit von Arbeit und Privatleben, zum anderen fehlende Berufsperspektiven von Akademikern, das Scheitern der Betriebsintervention linker Gruppen, die ökologischen Diskussionen und das aufkommen der Frauenbewegung (79). In der Folge entstanden in den 70er-Jahren vor allem selbstverwaltete Betriebe auf den Gebieten von Druckereien, Verlagen, Zeitungen, Buchhandlungen, Cafès, Kneipen, aber auch Bildungseinrichtungen wie freie Schulen oder kleiner Handwerksbetriebe sowie ökologischer Landbau. (90) Diese Entwicklung wurde z.T. aber auch aus gewerkschaftlicher Perspektive als "romantische Nische" oder als "Sabotage sozialer Normen" (93) kritisiert, da in ihnen Selbstausbeutung oder fehlende Altersabsicherung nicht selten vorherrschend war. Notz gibt zudem zu bedenken, dass es in diesen selbtsverwalteten Betrieben nicht selten eine informelle Hierarchie gebe, die der kapitalistischen in nichts nach stünde. Notz zitiert aber auch eine Studie von 1997, in der 200 dieser Betriebe untersucht worden sind und die anders als Oppenheimer 100 Jahre zuvor zu dem Ergebnis kommt, dass die meisten dieser Betriebe eine tragfähige Betriebsstruktur entwickelt haben. (97) Nach kurzen Erläuterungen aktueller Theorien zur Tauschökonomie, zur Schenkökonomie und zum Guerilla Gardening beleuchtet Notz auch noch die aktuellen theoretischen Ansätze der Commons-Theorie, für deren Analyse u.a. Elinor Ostrom 2009 den Wirtschaftsnobelpreis erhielt. Der Commons-Ansatz möchte nach Notz überall dort einspringen wo der Markt versagt und so könnte eine "allgemeine Verantwortung für die Gemeingüter zum entscheidenden Baustein eines partizipativen und nachhaltigen Gemeinwesens" (134) werden. Elinor Ostrom fand in ihren Studien anders als in der sogenannten Tragik der Allmende (1968, Garrett Hardin) normalerweise vielfach beschrieben, mehr positive als negative Beispiele, wenn die Allmende institutionalisiert verwaltet sei.
Gisela Notz schließt mit einigen Praxisbeispielen ab, die sie detailliert beschreibt, u.a. der bis heute existierende Kommune Niederkaufungen.
Bewertung
Gisela Notz ist für ihrer knappen, aber trotzdem konzisen Einführung in die Theorien des alternativen Wirtschaftens außerordentlich zu danken. Notz schafft es, viele Gedanken, Ideen und theoretische Ansätze überblicksartig zusammenzufassen und auch die Grundprobleme der jweiligen theortischen Ansätze zu thematisieren. Lediglich an ein paar Stellen wäre es schön gewesen, noch etwas tiefer zu gehen. So hätte man auf grundsätzliche Theorien des Wirtschaftens seit den antiken Griechen ebenso eingehen können wie die Gedanken zum Urchristentum näher ausführen können. Die Kapitel zum Anarchismus und Sozialismus hätten zudem ebenso ausführlich sein dürfen wie die zur Genossenschaftsbewegung, teilweise liegt hier der Fokus auch zu sehr auf Deutschland. Sprachlich ist das Werk auch gelungen, auch wenn man sich zuweilen wünscht, das Wort "patriachal" nicht synonym mit kapitalistisch oder hierarchisch zu verwenden, hier werden aus meiner Sicht 2 Ebenen miteinander vermengt, die zwar in weiten Teilen der Geschichte, aber nicht notwendigerweise zusammengehören. Interessant wäre zudem auch ein Blick über den dezidiert linken Tellerrand gewesen. Liberale, konservative oder auch dezidiert rechte Ansätze vorzustellen, würde dem Verständnis der Sache zuträglich sein.