Die Suppe lügt. Die schöne neue Welt des Essens
Daten zum Buch | |
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Deutscher Titel: | Die Suppe lügt. Die schöne neue Welt des Essens |
Autor(en): | Hans-Ulrich Grimm |
Herausgeber: | |
Erscheinungsort: | München |
Verlag: | Droemer/Knaur |
Serie: | |
Erscheinungsjahr: | 2008 |
Seitenanzahl: | 220 Seiten |
Originaltitel: | - |
Originalsprache: | deutsch |
ISBN-10: | 3426780763 |
ISBN-13/
EAN-Code: |
978-3426780763 |
Schlagwörter: | Ernährung, Kulturkritik |
Sachgebiete: | Sachbuch |
Rezensionen | |
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Hans-Ulrich Grimm beschreibt in seinem populärwissenschaftlichen Buch über Ernährung den Zustand der Lebensmittel, die wir heutzutage in den Supermärkten einkaufen können. Dabei geht er insbesondere auf die Vielfalt an Aromastoffen ein, die in großem Maßstab den Geschmack unserer Mahlzeiten prägen, aber auch auf die immer weiter industriell geprägten und auf Rationalität getrimmten Herstellungsprozesse, die etwa das Abfallprodukt Molke einsetzen oder die aus seiner Sicht schädlichen Süßstoffe in großen Stil verarbeiten.
Grimm geht dabei von der Annahme aus, dass der Geschmack eine regulierende Wirkung auf den Menschen hat. Schlechtes oder schlechter schmeckendes Essen wird nicht nur weniger gegessen als gut aromatisiertes Essen, sondern es hindert uns im Extremfall auch daran, etwa verdorbenes Essen zu uns zu nehmen. Daher geht Grimm davon aus, dass Aromastoffe in unseren Speisen das Übergewicht fördern und unseren Nahrungshaushalt aus den Fugen geraten lassen. Geschmack ist nach Grimm kein Beiwerk zum Essen, sondern eine Botschaft (112ff.) und ein Kontrollsinn. Zudem kommt, dass Geschmacksverstärker wie Glutamat im Verdacht stehen, neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer oder Pariknson auszulösen (24). Erschreckend ist auch das viel zitierte Beispeil von Grimm, dass z.B. nur 5% des Erbeergeschmacks in unseren Speisen durch die Welterdbeerproduktion gedeckt werden kann, der Rest entstamt künstlichen Aromastoffen, die aus Sägespänen hergestellt werden.
Eine besondere Verirrung und Vortäuschung falscher Haltbarkeit sieht Grimm etwa bei der Benutzung von Raucharomen, die zudem eigentlich als Flüssigbad in Deutschland nicht zugelassen sein sollten, aber immer merh Ausnahmeregeulungen erhalten. (99ff.) Auch den Wandel unserer Lebensmittel zu functional food (von Arzneimitteln darf nicht geredet werden, weil Arzneimittel in der Apotheke verkauft werden müssen), die angeblich gesund und fit machen sollen (200), hält Grimm sehr wenig. Er sieht hier viel mehr eine Geschmacksdiktatur am Werk (206).
Grimm wird dabei auch nicht müde zu betonen, dass die Anreicherung von Aromastoffen zu unserem Essen zu einem großen Wirtschaftssegment geworden ist, wobei selber Kochen eigentlich genauso teuer oder sogar preiswerter ist als das Fertigessen aus unseren Supermärkten. (207) Die Firma Symrise aus Holzminden beispielsweise setzt nach Angaben von Grimm mit über 7.000 Aromastoffen über 1 Milliarde Euro um. (31) Und dabei kann es gar nicht preiswert genug zugehen. So besteht etwa die Zitronensäure in den Erfrischungsgetränken wie Cola "heute fast ausschließlich aus den Ausscheidungen" (39) von Schimmelpilzen und Bodenbazillen.
Nach einem kleinen Ausflug in die Geschichte der Aromen von der Erfindung des Vanillin 1874 durch Haarmann (32) über die Erfindung der Trockensuppe 1886 von Knorr und Maggi (60) bis hin zu Erfindung des Backpulvers 1884 durch Oetker und der ersten Emanzipation des Geschmacks durch die Erfindung der Maggi-Würze, prangert Grimm nicht nur die Dressur der Kinder zum neuen Geschmack an, sondern beschreibt auch die Ohnmacht staatlicher Kontrolleure, die qua Berufsgeheimnis der Aromaitisierer, kaum eine Chance haben, noch den Überblick über die Inhaltsstoffe zu bekommen. Denn unsere Etiketten in den Supermärkten müssen lediglich Aromen ausweisen, aber nicht darlegen, welche es genau sind. So kommt es dann auch, dass Aromastoffe aus Pilzen als "natürliche Aromastoffe" deklariert werden und Behörden letztlich "keinerlei Überblick" (95) über die Zusatzstoffe haben. Es wird geschätzt, dass es weltweit 20.000 Zusatzstoffe in unserem Essen gibt (171), die ggf. zu einer "kumulativen Toxidität verschiedener Stoffe in geringer Dosierung" führen können (Grimm zitiert hier Prof. Georg-Friedrich Kahl vom Göttinger Giftinformationszentrum "aufgrund ähnlicher Erkenntnisse"). Zur Untermauerung seiner These von der problematischen Vermengung der Zusatzstoffe weiß Grimm von einigen Fällen von Schockreaktionen aufgrund nicht erkannter Lebensmittelunverträglichkiet zu berichten, die teilweise tödlich geendet sind.
Grimm sieht den Verlust der Hoheit über Speis und Trank und fordert ein Recht auf "kulinarische Selbstbestimmung". (182)
Bewertung
Das Buch leistet einen sehr wertvollen Beitrag zur Diskussion über unser Essen und dessen Herstellungsprozess. Grimm deckt dabei viele Mängel auf, die wir an unserem Essen fast gar nicht mehr wahrnehmen. Die Manipulation unseres Essens und unseren Geschmackes hat erschreckende Ausmaße angenommen. Dennoch ist der polemische Ton Grimms teilweise störend und an der ein oder anderen Stelle hätte noch etwas mehr an Tiefe und Gründlichkeit gutgetan.
Denis Diderot 23:43, 30. Jun 2008 (CEST)