»Opa war kein Nazi«

Aus Bookpedia Bücher einfach erklärt
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Daten zum Buch
Deutscher Titel: » Opa war kein Nazi «
Autor(en): Harald Welzer; Sabine Moller; Karoline Tschuggnall
Herausgeber: Walter Pehle
Erscheinungsort: Frankfurt(Main)
Verlag: Fischer-Taschenbuch-Verlag
Serie: Die Zeit des Nationalsozialismus
Erscheinungsjahr: 2002
Seitenanzahl: 246 Seiten
Originaltitel: -
Originalsprache: deutsch
ISBN-10: 3596155150
ISBN-13/

EAN-Code:

Schlagwörter: Schlagworte
Sachgebiete: Sachgebietsangabe
Rezensionen
  • URLs zu vorliegenden Rezensionen


Das Psychologische Institut der Universität Hannover führte 1997-2000 ein Forschungsprojekt zur »Tradierung von Geschichtsbewusstsein« durch, dessen Ergebnisse hier anspruchsvoll, aber allgemeinverständlich vorgestellt werden. Die Mitarbeiter interviewten Zeitzeugen und ihre Angehörigen, um herauszufinden, welche Bilder und Überzeugungen die verschiedenen Generationen von der Zeit des Nationalsozialismus entwickelt haben. Die Ergebnisse sind ebenso ernüchternd wie spannend: Das allgemeine Wissen über das »Dritte Reich« ist durchaus umfangreich, aber dieses Wissen hat erstaunlich wenig Einfluss auf die Einschätzung der eigenen Taten bzw. der Taten der Eltern und Großeltern.

»Paradoxerweise scheint es gerade die gelungene Aufklärung über die Verbrechen der Vergangenheit zu sein, die bei Kindern und Enkeln das Bedürfnis erzeugt, die Eltern und Großeltern im nationalsozialistischen Universum des Grauens so zu platzieren, dass von diesem Grauen kein Schatten auf sie fällt.«(S.13)

Als Beispiel sei die Familie eines Gestapo-Beamten erwähnt, der Ausreisevisa für jüdische Familien ausstellte. Die Nichte erzählt von dieser Tätigkeit unter dem Aspekt, ihr Onkel habe Juden »geholfen«, Deutschland zu verlassen. Ihr Sohn macht sich anlässlich dieser Erzählung sogar Gedanken, wie schwierig es in Diktaturen sei, praktisch gegen sie tätig zu werden, weil man »Doppelstrategien fahren« müsse. Hier wird also aus der bürokratisch organisierten Vertreibung einer Volksgruppe zunächst ein Hilfsangebot und in einem weiteren Schritt sogar Gegnerschaft gegen das Regime: Aus einem Parteimitglied wird »jemand, der Widerstand leistet, indem er Gestapo-Beamter wird.«(S.104)

Ähnlich wie Saul Padover in »Lügendetektor« kommt auch diese Untersuchung zu dem Schluss, dass die Nazis offenbar immer die anderen waren.

Selbstverständlich werden die Familiengeschichten nicht vorgeführt oder lächerlich gemacht; die Forscher erkunden, wie in unseren Köpfen Berichte und Erinnerungen entstehen, die »ihre eigene Widerlegung gleich miterzählen«(S.208), ohne dass uns das auffällt oder gar irritiert. Insofern behandelt die Studie nicht nur unsere Vorstellungen von der Zeit des Nationalsozialismus.