Schöpfung außer Kontrolle. Wie die Technik uns benutzt

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Daten zum Buch
Deutscher Titel: Schöpfung außer Kontrolle. Wie die Technik uns benutzt
Autor(en): Karl Olsberg
Herausgeber:
Erscheinungsort: Berlin
Verlag: Aufbau-Verlag
Serie:
Erscheinungsjahr: 2010
Seitenanzahl: 297 Seiten
Originaltitel: '
Originalsprache: deutsch
ISBN-10: 3351027141
ISBN-13/

EAN-Code:

978-3351027148
Schlagwörter: volution, Technikgeschichte, Kulturkritik
Sachgebiete: Kulturkritik
Rezensionen
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Das Sachbuch Karl Olsbergs lässt sich als Kulturkritik an der zunehmenden Abhängigkeit der Menschheit von Technologie verstehen, geht jedoch über eine reine Kulturkritik noch hinaus.

Aufgeteilt ist das Buch in drei größere Abschnitte. Der 1. Teil beschreibt theoretische Grundlagen für die These Olsbergs, der 2. Teil erläutert die These von der zunehmenden Abhängigkeiten des Menschen von der Technik und ein letzter und 3. Teil gibt einen Ausblick und einen Ratschlag, wie mit der Diagnose umgegangen werden könnte.

Hinter der biologischen und ideengeschichtlichen Entwicklung der Welt sieht Olsberg mit Darwin und dem britischen Zoologen Dawkins (40ff) ein grundlegendes evolutionäres Prinzip wirken, das nicht nur für biologische Entwicklungen zutrifft, sondern gleichermaßen auch für die Entwicklung einer Stadt oder die Entwicklung von Ideen bzw. Memen zutrifft. Hinter jeder Entwicklung sieht Olsberg die Prinzipien der Replikation, Mutation, Auswahl und damit wiederum der Kopie wirken. Nicht nur das Leben entwickelt sich nach Olsberg nach diesem Prinzip, sondern z.B. auch die Idee von etwas. Olsberg führt hier etwa das berühmte Mem der Vogelspinne in der Yuccapalme an. Dass solche Entwicklungen dabei als zielgerichtete Ideen erscheinen, liegt nach Olsberg daran, dass mit zunehmender Zeit, die Vielfalt der Entwicklung ständig zunimmt und sich somit auch immer bessere bzw. "weitere" Ideen finden. Olsberg macht das anhand des "Random Walk" eines betrunkenen Mannes klar. Mit diesem Bild beschrieb der Biologe Jay Gould in "Illusion Fortschritt", wie sich durch das Prinzip der Evolution eine immer größere Spannweite der Vielfalt innerhalb einer Entwicklung ergibt, die man aber nicht als Fortschritt bezeichnen sollte, die aber dennoch aus diesem Prinzip heraus immer besser wird.

Genau diesen immer besser werdenden Fortschritt beschreibt Olsberg in dem 2. Teil seines Buches. Olsberg beschreibt z.B. einen normalen Arbeitsplatz von vor 30 Jahren ohne Computer und vergleicht diesen Arbeitsplatz mit dem von heute. Dabei stellt er fest, dass man vor 30 Jahren noch praktisch ohne Technik arbeiten konnte, aber ein Arbeiten ohne Technologie oder Computer heute nahezu ausgeschlossen ist. Der Mensch hat sich, nach Olsberg, in eine sehr weitgehende Abhängigkeit von Maschinen begeben. Wie weit ein Mensch mit einer Maschine verschmelzen kann, beschreibt Olsberg z.B. am Autofahren. Wir können das Auto praktisch vegetativ, d.h. also ohne Nachzudenken führen und Olsberg sieht solche Mensch-Maschinen-Symbiosen in der Zukunft noch viel stärker auf uns zukommen, nicht weil Maschinen intelligent werden würden, sondern weil das Mem Computer sich immer stärker auf die Bedürfnisse des Menschen einlassen würde und uns Komfort versprechen und letztlich auch bringen würde, die negativen Aspekte und Abhängigkeiten dabei aber von uns ausgeblendet blieben. Die Gefahr, dass Maschinen uns eines Tages wie im Film Matrix, eine andere Welt als die reale vorgaukeln könnten, findet der Autor dabei nicht so abwegig, zumal es bereits innerhalb der nächsten 30 Jahre zu einer "technologischen Singularität" (246) kommen könnte, also einem Punkt, an dem wir Menschen die Kontrolle über die Technologie verlieren könnten, wobei Olsberg darauf hinweist, dass wir bereits solche Phänomene in den von Computer gesteuerten Finanzmärkten hätten.

Was tun?, fragt Olsberg in seinem letzten Abschnitt. Olsberg hält eine Maschinenstürmerei, wie sie der Una-Bomber oder die Ludditen im 19. Jahrhundert vorexerzierten für keine richtige Antwort auf die Herausforderung der technologischen Dominanz. Olsberg glaubt vielmehr, dass wir uns wie gute Gärtner verhalten sollten, weil wir dann seiner Meinung nach die Chance hätten, die Technik positiv einzusetzen. (288) Nach Olsberg können dafür Prinzipien herangezogen werden, so wie sie sich in praktisch allen Religionen finden. Nach Olsberg sollten wir versuchen, jede Wahl bewusst zu treffen, nicht jeder Verlockung der Technik gleich nachgeben, absoluten Wahrheiten misstrauen, vor allem positive Meme verbreiten und unsere Rolle darin akzeptieren.

Bewertung

Die These Olsberg, wonach unsere Abhängigkeit von Technik immer weiter zunimmt und dass diese Abhängigkeit für uns eine große Gefahr bedeuten wird, ist zweifelsohne richtig. Auch die Analyse, dass Ideen nach ähnlichen Prinzipien wie die biologische Evolution funktioniert, ist anregend, auch wenn Olsberg hier nicht eindeutig genug beweisen kann, woher die Eigenintentionen von Ideen kommen sollen. Ideen sind immer noch Werkzeuge des Menschen, um bestimmte Ziele zu erreichen und keine eigenständigen Lebewesen. Auch der Ausblick und der Ratschlag, sich wie ein Gärtner zu verhalten, bleiben schwach. Es ist zwar richtig, dass wir den Verlockungen der Technologie widerstehen müssen und alles hinterfragen, aber wie wir die richtigen Werkzeuge dafür an die Hand bekommen könnten, das ist doch die eigentlich Frage. Das Buch ist lesenwert, es fehlt jedoch ein 2. Teil, der weiter ausführen sollte, welche Alternativen dem Menschen bis zur technologischen Singularität bleiben. Sonst bleibt uns nur das Bonmot Einsteins, der meinte, dass er zwar nicht wisse, mit welchen Waffen im 3. Weltkrieg gekämpft würde, dass er aber die Waffen des 4. Weltkriegs kennen würde, nämlich die Keule. Denn es ist nicht ganz auszuschließen, dass es nach dem Siegeszug der Maschinen und der Unbeherrschbarkeit der Systeme zu einem Kollaps kommt, der die Menschen auf ihre ureigensten Fähigkeiten zurückwerfen wird. Nicht ganz von ungefähr liest man deshalb aus Girechenland, dass hier die Menschen nach der sogenannten Schuldenkrise wieder von den Städten aufs Land zögen, da die Städte sie nicht mehr ernähren könnten.

Denis Diderot 13:09, 10. Mär 2012 (CET)