Gomorrha. Reise in das Reich der Camorra
Daten zum Buch | |
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Deutscher Titel: | Gomorrha. Reise in das Reich der Camorra |
Autor(en): | Roberto Saviano |
Herausgeber: | |
Erscheinungsort: | München |
Verlag: | Hanser |
Serie: | Hanser Belletristik |
Erscheinungsjahr: | 2007 |
Seitenanzahl: | 368 Seiten |
Originaltitel: | Gomorra. Viaggio nell'impero economico e nel sogno di dominio della camorra |
Originalsprache: | italienisch |
ISBN-10: | 3446209492 |
ISBN-13/
EAN-Code: |
978-3446209497 |
Schlagwörter: | Mafia, Kriminalität, Italien |
Sachgebiete: | Kriminalistik |
Rezensionen | |
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Die Reise in das Reich der Camorra von Roberto Saviano gehört in das Genre des investigativen Journalismus, wobei der Autor, Roberto Saviano, kein Journalist im eigentlichen Sinne ist, sondern Betroffener, da er in Casal di Principe geboren ist. Saviano beschreibt und deckt somit nicht nur auf, sondern er klagt auch einen gesellschaftlichen Zustand mitten in Süditalien, in Neapel an, unter dem ein ganzer Landstrich leidet, weil große Teile der Wirtschaft von diesem kriminellen Bündnis einiger italienischer Familien beherrscht werden.
So zitiert Saviano beispielsweise aus den Unterlagen der Anti-Mafiaeinheit von 2004, dass "etwa 50 Prozent der Geschäfte allein in Neapel aus dem Hintergrund von der Camorra gesteuert" (65) werden. Das System der Camorra besteht aus doppelt so vielen Mitgliedern wie die sizilianische Mafia, woraus nach Meinung Savianos deutlich wird, dass hier eine Stadt weitgehend unbeachtet von der italienischen Öffentlichkeit fast vollständig unter der Kontrolle dieser kriminellen Vereinigung steht. Das ist umso erstaunlicher, wenn man alleine die offiziellen Toten der Mafia betrachtet. Saviano rechnet die Toten von 1979 bis 2005 zusammen und kommt auf 3.600 meist in aller Öffentlichkeit Getötete (147). So sind weite Strecken des Buches auch den immerwährenden Bandenkriegen gewidmet, die jedoch Teil des fast schon unbesiegbar scheinenden Systems sind, da der permanente Führungswechsel die Camorra auch unantastbar macht gegen Verhaftungen der Führungselite, die augenblicklich ersetzt werden kann.
Den ganzen ersten Teil seines Buches widmet sich Saviano der Beschreibung dieses camorristischen Systems und wie es die Zustimmung der Bevölkerung erlangen kann, weil der Clan anders als Banken schnell bereit ist, Geld für unternehmerische Aktivitäten zu leihen, auch gerade für legale. Die Camorra in Neapel ist aus Sicht Savianos zu einer Art "Volksbank" mutiert und "scratcht" (321) legale und illegale Wirtschaft auf besonders geschickte Art und Weise.
Doch Saviano weiß seine Recherchen auch immer wieder durch eigene Anschauungen zu bereichern. So erzählt er unglaubliche Geschichten von halb getöteten Personen, die vom Krankenwagen erst abgeholt werden, wenn die Camorristen zurückgekehrt sind und ihren Auftrag vollendet haben, weil sonst ein Überfall auf den Krankenwagen droht. Eine besondere Authentizität erlangt die Beschreibung Savianos hier durch den Bericht seines Vaters, der selbst Arzt in einem Krankenwagen gewesen ist und einmal von Angehörigen der Camorra verprügelt wurde, weil er einen "zum Tode Verurteilten" ärztlich versorgt hatte.
Den zweiten Teil seines Buches widmet Saviano den Symbolen der Camorra, wenn man so möchte. Dazu zählt neben der Kalaschnikow vor allem die Bauwirtschaft und der Zement als "Erdöl des Südens" (259). Der Süden wird zubetoniert, Saviano sieht hier erst einen "Raubbau an den Menschen, dann an den Dingen" (261) wirken. Auf jeden Fall ist die Camorra durch die Bauwirtschaft groß, reich und mächtig geworden, was sich nicht zuletzt auch an den großen Villen der Bosse zeigt. Saviano beschreibt hier das mittlerweile beschlagnahmte Anwesen des Mafiabosses "Sandokan", das diese Größe der Bauwirtschaft zum Ausdruck bringen soll. Zum Schluss bietet Saviano den Einblick in einen weiteren Pfeiler camorristischer Wirtschaftskraft: die Müllentsorgung. An dieser Stelle entwirft Saviano fast schon ein endzeitliches Bild für die gesamte Region, denn die Camorra hat hier in der gesamten Umgebung den Sondermüll aus dem reichen Norden und darüber hinaus verscharrt, in etlichen illegalen Mülldeponien, die weite Teile des Landes bereits kontaminiert haben.
Sehr schade ist das fehlende Register in dem Buch; die vielen Namen und Orte lassen sich so sehr schwer nach dem Lesen noch zuordnen.
Denis Diderot 11:40, 15. Jun 2008 (CEST)