Staat und Nation in der europäischen Geschichte
Daten zum Buch | |
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Deutscher Titel: | Staat und Nation in der europäischen Geschichte |
Autor(en): | Hagen Schulze |
Herausgeber: | |
Erscheinungsort: | |
Verlag: | C.H. Beck |
Serie: | |
Erscheinungsjahr: | 2004 |
Seitenanzahl: | 376 Seiten |
Originaltitel: | ' |
Originalsprache: | deutsch |
ISBN-10: | 3406511090 |
ISBN-13/
EAN-Code: |
978-3406511097 |
Schlagwörter: | europäische Geschichte, Staat, Nation |
Sachgebiete: | Geschichtswissenschaft |
Rezensionen | |
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Wenn wir heute das Auftreten von Nationalstaaten zumal in Europa erleben, dann könnten wir annehmen, dass sich Staaten und Nationen quasi naturwüchsig herausgebildet hätten. Dass dem nicht so ist, macht Hagen Schulze in seinem Standardwerk zur europäischen Ideengeschichte zu Staat und Nation klar.
Zunächst arbeitet Schulze die Herkunft der Vorstellung einer Staatlichkeit aus der antiken römischen Reichsidee heraus, die neben der kirchlichen Entwicklung als Projektionsfläche Europa als Ganzes zusammengehalten habe. (21) Die Königsherrschaft einzelner europäischer Gebiete beruhte dabei zunächst auf Grundbesitz. (23) Neben den königlichen Grundbesitz trat jedoch auch das erbliche Lehenswesen einzelner Vasallen, gegen das sich der König immer versuchte zu behaupten. Zusammen mit einem erheblichen Bevölkerungswachstum im 11. Jahrhundert traten schließlich jedoch Dörfer und Städte aus ihrer Vereinzelung hinaus, so dass sich hier Herrschaft selbst zu einer größeren Idee verwandelte. (25) Diese wurde in Sizilien unter den Staufern im 12./13. Jahrhundert schließlich erstmals zu einer Staatlichkeit im heutigen Sinn zusamengeschlossen. Dieses verwaltungstechnisch voll erschlossene Staatsgebilde war jedenfalls das Vorbild späterer Staatsideen, wie sie beispielsweise unter Kaiser Maximilian 1495 mit dem ersten Landfrieden zum Ausdruck kamen. (29) In Zentraleuropa schließlich entwickelte sich jedoch die Machtfülle des französischen Königs bis zur Französischen Revolution als das Vorbild für alle europäischen Herrscher. (34)
Als vorderste Aufgabe des starken, absoluten Staates stellte sich zur Machtfestigung gegenüber den fürstlichen Lehnswesen die Vereinheitlichung des Staatswesens in Bezug auf Sprache, Religion und Wirtschaft (z.B Colbertismus) heraus, so dass schließlich Stände und Staat in eins zu fallen hatten (65), der absolue Staat stiftete Frieden nach innen und befand über den Krieg nach außen (83). Paradoxerweise, so Schule, brachte dann aber erst die französische Revolution, die den absolten Staat beendete, jenen totalen Staat, die Nation hervor, die der absolutistische Staat immer angstrebt hatte. (103) Die Nation aber, darauf weist Schulze besonders deutlich hin, hat ihre Wurzeln weder in einer Sprache, einer Rasse, Religion oder in der geographischen Herkunft, sondern ist ein erfundenes, geistiges Prinzip. (110) Als besonders eifrige Erfinder bzw. Erwecker von Nationsideen taten sich dabei Sprachforscher hervor. (176)
In Europa bildeten sich zwar auf Grundlage der alten antiken Reichsidee mehrere Staaten und Nationen heraus, es blieb, so Schulze, jedoch ein Kulturraum, ein "Zivilisationsklima" durch Aufklärung, gemeinsame Wurzeln in der Antike und das Christentum. (85) Zudem erfand sich Europa durch den Widerstand gegen den Hitlerfaschismus neu und besann sich auf die gemeinsame Geschichte und Idee. (327) Eine fast einheitliche europäische Stadtkultur zumindest in Westeuropa tut, so Schulze, ihr übriges dazu, dass Europa heute als Einheit über die Nationen betrachtet wird, wobei das Prinzip der Subsidiarität (340) die Besonderheitten, der Nationen, Sprachen, aber auch der Regionen berücksichtigt. Regionale Gegentendenzen und der Widerstand gegen eine Überhand nehmende Bürokratie laufen der europäischen Idee zwar zuwider und bereiten Probleme, sie können jedoch behoben werden, wenn sich Europa auf sein "kolektives Gedächtnis" (340) besinnt.
Bewertung
Das Buch von Hagen Schulze schafft es, in komprimierter Form, 2000 Jahre Ideen- und Geistesgeschichte auf wissenschaftlichem Niveau zusammenzufassen und zwar so, dass dabei eine gut lesbare Einführung zu Staat und Nation dabei herausgekommen ist. Dieses Standardwerk sollte zur Pflichtlektüre jedes Erstsemesters der Geschichtswissenschaft werden. Zusätzlich sollte es noch einmal zum Ende des Studiums gelesen werden. Beim Wein-Parker wären es an dieser Stelle wohl: 100 Punkte.
Denis Diderot 22:00, 17. Jul 2013 (CEST)