Siegerkunst. Neuer Adel, teure Lust

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Daten zum Buch
Deutscher Titel: Siegerkunst. Neuer Adel, teure Lust
Autor(en): Wolfgang Ullrich
Herausgeber:
Erscheinungsort: Berlin
Verlag: Wagenbach
Serie:
Erscheinungsjahr: 2016
Seitenanzahl: 160 Seiten
Originaltitel: -
Originalsprache: deutsch
ISBN-10: 3803136601
ISBN-13/

EAN-Code:

978-3803136602
Schlagwörter: Kunstkritik, Kunstgeschichte
Sachgebiete: Kunstgeschichte
Rezensionen
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In seiner Kritik Siegerkunst. Neuer Adel, teure Lust analysiert und kritisiert Wolfgang Ullrich den modernen Kunstbetrieb. Dabei führt Ullrich den Begriff "Siegerkunst" ein, um eine neue Entwicklung auf dem Kunstmarkt zu beschreiben. Denn war es bis vor kurzem noch die größte Auszeichnung für ein Werk und seinen Autor, im Museum ausgestellt zu werden, entsteht neuerdings immer mehr Kunst alleine für einen Markt der Superreichen (15), die bereit sind, für Kunst zum Teil absurd hohe Summen zu zahlen. Ullrich konstatiert, dass mit der Siegerkunst eine neue "Werkform" und ein eigenes Geschäftsmodell entstanden sei. (18)

Der Autor geht zudem auf die psychologischen Beweggründe ein, warum Reiche und Superreiche bereit sind, immer größere Summen für solche Siegerkunst auszugeben. Zum einen unterscheidet Ullrich hier zwischen der Kunsterfahrung des Rezipienten, so wie er in Museen heutzutage vorherrschend ist und der Kunsterfahrung des Eigentümers, der der neuen Siegerkunst zugrunde liegt. So sieht Ullrich in der Rezeption von Kunst letztlich ein Produktionsmittel, um Klassenunterschiede abzubauen, weil man das Kunstwerk dafür nicht besitzen müsse, aber so trotzdem an dem befreienden Kunstgenuss teilhaben könne. In der neuen Siegerkunst sieht der Autor jedoch das Moment der "Aneignung" von Kunst als Gebrauchsgegenstand wirken, die so für den Käufer befreiend, ja sogar als "Daseinssteigerung" wirke. (31) Der Kunstkauf in Millionenhöhe wird für den Käufer so zu einem Akt der Coolheit und der Grenzüberschreitung, etwas, das sonst für den Superreichen kaum noch möglich ist.

Dadurch, dass die Kunst als Siegerkunst wieder der Allgemeinheit entzogen wird, sieht Ullrich einen Rückfall in die höfische Kunst der Vormoderne, die zudem erneut manieristische Züge zum Vorschein bringt. (67 ff.) In der Siegerkunst komme so die Machtgeste wieder zurück, wie Ullrich etwa an Lüpertz Plastik Die Philosophin verdeutlicht, die im Foyer des Bundeskanzleramts steht und von Gerhard Schröder und Markus Lüppertz dort in machtmanieristischer Form platziert worden sei.

Ullrich sieht die neue Form der Siegerkunst aber auch noch aus anderen Gründen kritisch. So konstatiert er, dass Siegerkunst nicht mehr aus dem inneren Antrieb des Künstlers, sondern nur noch als Auftragsarbeit entsteht. (107) Außerdem wirke der moderne Künstler nicht mehr als Handwerker selbst, sondern nur noch als derjenige, der die Idee beisteuere, die Ausführung obliege dann aber Auftragshandwerkern, die die Kunst ausführen. Auch hierdurch sieht Ullrich vormoderne Elemente des Kunstbetriebs zurückkehren, weil für die höfische Kunst oft viele Arbeiter und Handwerker nötig waren, um die großen Kunstwerke zu erschaffen.

Bewertung

Dem Kunstkritiker Wolfgang Ullrich merkt man seine Belesenheit und dialektische Schulung an. Das Buch ist in einem leicht zugänglichem Ton verfasst und es bietet etliche originelle Gedankengänge, die man sonst selten findet. Insbesondere seine psychologischen Betrachtungen zur Motivation der Superreichen sind sehr nachvollziehbar und es ist ihm auch zuzustimmen, dass im modernen Kunstbetrieb ein antiaufklärerischer Impuls liegt. Dennoch springt Ullrich mit seiner Kritik zu kurz. Denn es mag ja sein, dass es einige Siegerkünstler gibt, die Kunst für irgend welche abgehobenen Superreichen machen. Aber wen kümmert das bitte? Noch nie in der Geschichte wurde so viel Kunst erstellt, produziert und ausgestellt und kann zudem von Jedermann betrachtet und rezipiert werden. Dazu muss man noch nicht einmal in die Museen gehen. Die Zeiten, in denen die "elendigen Massen" keinen Zugang zu Kunst hatten, sind zumindest in Europa vorbei. Zudem kommt, dass der Erfolg von Kunst nicht planbar ist und damit auch nicht käuflich. Das, was heute vielleicht unbeachtet in irgend welchen Vernissagen oder in alten Fabrikanlagen ausgestellt ist, kann vielleicht schon das sein, was in 100 Jahren in den Museen für die Ewigkeit hängt, während die Siegerkunst auf dem Schrottplatz gelandet ist. Vielleicht.