Kritik der reinen Vernunft

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Daten zum Buch
Deutscher Titel: Kritik der reinen Vernunft
Autor(en): Immanuel Kant
Herausgeber: Jens Timmermann
Erscheinungsort: Hamburg
Verlag: Meiner
Serie:
Erscheinungsjahr: 1998
Seitenanzahl: 995 Seiten
Originaltitel: -
Originalsprache: Deutsch
ISBN-10: 3787313192
ISBN-13/

EAN-Code:

978-3787313198
Schlagwörter: Philosophie, Vernunft
Sachgebiete: Sachbuch, Wissenschaft
Rezensionen

Die Kritik der reinen Vernunft (KrV) (im Original Critik der reinen Vernunft) ist das erkenntnistheoretische Hauptwerk des deutschen Philosophen Immanuel Kant. Der Königsberger Philosoph schrieb die KrV als erste seiner drei „Kritiken“. Es folgten die Kritik der praktischen Vernunft und die Kritik der Urteilskraft. An die KrV schließen zudem die Prolegomena von 1783 an.

Bedeutung des Titels „Kritik der reinen Vernunft“

  • Kritik“ ist nicht als Beanstandung, Tadelung oder Herabwürdigung zu verstehen, sondern im ursprünglichen Sinn des griechischen Wortes „krinein“ (scheiden, unterscheiden, urteilen) als Analyse, Sichtung und Überprüfung im weitesten Sinne. Vor allem bedeutet hier „Kritik“ eine Grenzziehung zwischen dem Wissbaren und dem Unwissbaren.
  • Der Genitiv „der“ kann als genitivus objectivus wie als genitivus subjectivus gelesen werden. Kant verstand seine Untersuchung in der Tat als eine Kritik an der und durch die reine Vernunft. Als oberstes Erkenntnisvermögen kann sich die Vernunft einer Selbstkritik unterziehen. Die reine Vernunft kann sich selbst zum Gegenstand machen. Kant spricht vom „Gerichtshof der Vernunft“ (B779), vor dem die Vernunft Kläger, Angeklagter und Richter zugleich ist.
  • Die „reine“ Vernunft umfasst nach Kant die Erkenntnisfähigkeit des menschlichen Denkens, ohne auf schon vorhandene sinnliche Erfahrung zurückgreifen zu müssen. Rein ist das Vernunftvermögen, wenn es vor und unabhängig aller Erfahrung ist. Für die reine Vernunft gibt es außer den Gesetzen der Logik keine Beschränkung. Die Gesetze der Logik aber garantieren nur logische, nicht aber inhaltliche Widerspruchsfreiheit.
  • Der Erkenntnisapparat des Subjektes im Sinne der „Kritik der reinen Vernunft“ umfasst
    • die Sinnlichkeit als das Vermögen der Anschauung,
    • den Verstand als das Vermögen, Anschauungen unter (einfache) Begriffe zu bringen, sowie
    • die Vernunft im Allgemeinen als das Vermögen, die Verstandeserkenntnis zu ordnen, als das Vermögen nach Prinzipien zu denken.

Aufbau der Kritik der reinen Vernunft

Nach einer Vorrede, die Kant in der zweiten Auflage völlig neu fasste, erfolgt eine Einleitung (B 1-30), in der wesentliche Grundbegriffe geklärt werden. Das Hauptwerk gliedert sich in zwei Teile, die Elementarlehre und die deutlich kürzere Methodenlehre. Die transzendentale Elementarlehre enthält die Auseinandersetzung mit den Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis. Entsprechend den zwei Stämmen der menschlichen Erkenntnis ist sie zweigeteilt. Der erste Teil, die transzendentale Ästhetik (B 33ff), ist eine Theorie der sinnlichen Wahrnehmung. Der zweite Teil, die transzendentale Logik (B 74ff), befasst sich mit den Verstandesleistungen, die der Mensch zur Erkenntnis benötigt und über die er verfügt. Die transzendentale Logik ist ihrerseits wiederum zweigeteilt. Die transzendentale Analytik (B89ff) ist eine Theorie des Denkens, in der Kant die Kategorien, Schemata und Grundsätze herausarbeitete, die für das menschliche Urteilsvermögen grundlegend sind. Am Ende des Abschnitts diskutierte er die Grenzen der menschlichen Vernunft. Den Gegenpol bildet die transzendentale Dialektik (B 349ff), in der Kant aufzeigte, wie die nach Erklärung des Unbedingten strebende Vernunft in einen dialektischen Schein gerät, indem sie reine Gedankendinge verdinglicht. Auch wenn die Vernunft nach immer weiterer Erkenntnis strebt, sind die Fragen nach der Unsterblichkeit, nach Gott und nach der Freiheit mit den Mitteln der Vernunft nicht zu beantworten. Diese Begriffe sind transzendentale Ideen ohne jede empirische Anschauung. Jeder Versuch, Erkenntnisse über sie zu gewinnen, endet notwendig im transzendentalen Schein. Da aber auch niemand zeigen kann, dass es sie nicht gibt, ist der Mensch berechtigt, sie als regulative Ideen aufzufassen und zum Leitprinzip seines praktischen Lebens zu machen. Die transzendentale Methodenlehre (B 733-884) befasst sich mit Fragen, wie mit den Erkenntnissen der Elementarlehre umzugehen ist. Auf welche Weise ist der Kritizismus in der Philosophie einzusetzen und welche Bedeutung haben die regulativen Ideen für das praktische Leben?

Aufgabe der Transzendentalphilosophie

Kant hat zu beiden Auflagen der KrV jeweils eine ausführliche Vorrede geschrieben, in denen er die Aufgabe seines neuen philosophischen Konzeptes erläuterte.

Vorrede zur 1. Auflage

Gleich im ersten Satz der Vorrede beschrieb Kant seine philosophische Problemstellung:

„Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse: dass sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann, denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber nicht beantworten kann; denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft.“ (A VII)

In dem naturgegebenen Bemühen, seine Wirklichkeit immer besser zu erklären, muss der Mensch sich auch mit Fragen befassen, die sein Erkenntnisvermögen übersteigen. Aufgabe der Philosophie ist es, zu zeigen wo die Grenze der Erkennbarkeit liegt. Dabei entsteht eine Vielzahl von Meinungen, die sich im Konflikt gegenüberstehen und den Blick auf die Wirklichkeit sogar verdunkeln können. „Der Kampfplatz dieser endlosen Streitigkeiten heißt nun Metaphysik.“ (A VIII)

Der Kampf findet für Kant zwischen Dogmatismus (Rationalismus) und Skeptizismus (Empirismus) statt. Zwar hat die psychologische Analyse des Verstandes von Locke einen Weg eröffnet, doch ist die Diskussion darüber hinweggegangen. Stattdessen haben die Aporien im Streit der metaphysischen Positionen zu einer Gleichgültigkeit gegenüber der Metaphysik geführt (Vgl. A X). Kant bezeichnete die KrV nun als einen Gerichtshof, vor dem die Vernunft sowohl Kläger als auch Angeklagter, vor allem aber auch Richter sein soll. Diese juristische Metapher spielt in der Entwicklung der Argumente im Verlaufe der KrV immer wieder eine wesentliche Rolle.

Kant behauptete stolz, dass er den Schlüssel zur Lösung metaphysischer Fragen gefunden habe. Er war sich allerdings bewusst, dass die KrV ein schwieriger Text war und wies schon in der Vorrede darauf hin, dass an einigen Stellen, insbesondere der Deduktion der Verstandesbegriffe (siehe transzendentale Analytik), Missverständnisse entstehen könnten. Er betonte, dass es ihm nicht um Ästhetik, sondern um diskursive (begriffliche) Deutlichkeit gegangen sei.

Vorrede zur 2. Auflage

War die Vorrede zur ersten Auflage noch die stolze Präsentation des gelungenen Ergebnisses von 10 Jahren Arbeit, so ist die neue Vorrede der zweiten Auflage vielmehr darauf ausgerichtet, den Leser auf das Werk einzustimmen und auch einigen Kritiken, die mittlerweile bekannt waren, zu begegnen. Entsprechend ging Kant wesentlich breiter auf die Inhalte und Ideen der KrV ein.

Ziel der Metaphysik ist es, „den sicheren Gang einer Wissenschaft“ (B VII) zu finden. Solange Erkenntnistheorie („die Bearbeitung der Erkenntnisse, die zum Vernunftgeschäfte gehören“ (B V II)) noch nicht zu eindeutigen Lösungen kommt, über die Konsens besteht, ist sie „bloßes Herumtappen“ und keine Wissenschaft. Die Logik hingegen scheint seit Aristoteles in einem fertigen Zustand zu sein. (Kant konnte nichts von den Erweiterungen der formalen Logik wissen, die sich seit dem 19. Jahrhundert entwickelte, obgleich die KrV zu diesen Entwicklungen wesentlich beitrug<ref>Darüber hinaus ist nicht unumstritten, ob und inwieweit die modernen Logiksysteme nicht der Mathematik zuzurechnen sind, soweit sie auf Axiomen und Definitionen beruhen.</ref>). Auch die Mathematik und seit Beginn der Neuzeit die Physik, vor allem durch Newton, haben nach Kant den Stand einer strengen Wissenschaft erreicht. Geschehen ist dies durch einen Wandel der Denkungsart.

Vor allem Kants Auffassung, dass mathematische Urteile (und manche Urteile der Physik) als synthetisch a priori gelten, sticht hervor. So entstehen Gesetze der Geometrie wie der Satz des Thales nicht dadurch, dass sie gefunden oder logisch deduziert werden, sondern dadurch, dass sie in einer reinen Anschauung konstruiert werden.

Die „Revolution der Denkart“, die in der KrV für die Philosophie vollzogen wird, war durch die veränderte Vorgehensweise der Naturwissenschaftler in der Neuzeit angeregt:

„Sie begriffen, dass die Vernunft nur das einsieht, was sie selbst nach ihrem Entwurf hervorbringt, dass sie mit Prinzipien ihrer Urteile nach beständigen Gesetzen vorangehen und die Natur nötigen müsse, auf ihre Fragen zu antworten, nicht aber sich von ihr allein gleichsam am Leitbande gängeln lassen müsse; denn sonst hängen zufällige, nach keinem vorher entworfenen Plane gemachte Beobachtungen gar nicht in einem notwendigen Gesetze zusammen, welches doch die Vernunft sucht und bedarf.“ (B X III)

Der Mensch geht mit seinem Erkenntniswerkzeug an die Gegenstände heran, und zwingt sie, in Experimenten auf seine Fragen zu antworten. Die Forderung der Wissenschaftlichkeit von Erkenntnis, die Kant damit erhob, wurde in der Folge insbesondere im Positivismus stark gemacht. Solche systematische Anforderungen an Erkenntnis gab es in der Metaphysik bis dahin nicht.

„Bisher nahm man an, alle unsere Erkenntnis müsse sich nach den Gegenständen richten; aber alle Versuche, über sie etwas a priori auszumachen, wodurch unsere Erkenntnis erweitert würde, gingen unter dieser Voraussetzung zu nichte. Man versuche es daher einmal, ob wir nicht in den Aufgaben der Metaphysik damit besser fortkommen, dass wir annehmen, die Gegenstände müssen sich nach unserer Erkenntnis richten, welches so schon besser mit der verlangten Möglichkeit einer Erkenntnis derselben a priori zusammenstimmt, die über Gegenstände, ehe sie uns gegeben werden, etwas feststellen soll.“ (B XVI)

Analog zur Veränderung der Denkrichtung bei Kopernikus (Kant sprach selber nie von einer „Kopernikanischen Wende“, sondern benutzte nur die Analogie zur Verdeutlichung) soll man davon ausgehen, dass sich die Anschauungen nicht nach den Gegenständen richten, sondern dass die Gegenstände, wie sie erscheinen, sich nach der Beschaffenheit des Anschauungsvermögens richten. Erfahrung basiert sowohl auf Anschauung (Sinnlichkeit) als auch auf Verstand. Das natürliche Bewusstsein vermittelt den Eindruck, dass sich die Sonne um die Erde dreht. Noch heute spricht man vom Sonnenaufgang. Erst mit Hilfe des Verstandes kommt man zu einer anderen Erkenntnis, die einem erkenntnistheoretischen Realismus widerspricht. Die Revolution der Denkart löst den Wissenschaftler aus überkommenen Denkmodellen. Metaphysik kann sich nun zum einen auf Erkenntnis aus Erfahrungen richten. Die dabei zugrunde liegenden Begriffe entstammen a priori aus dem Verstand. Für die Notwendigkeit und Allgemeinheit dieser Begriffe ist die Erfahrung ein „herrlicher Probierstein“ (B XVIII). Zum anderen aber geht die Vernunft in ihren Erkenntnisbestrebungen über die Erfahrung hinaus.

„Denn das, was uns notwendig über die Grenze der Erfahrung und aller Erscheinungen hinaus zu gehen treibt, ist das Unbedingte, welches die Vernunft in den Dingen an sich selbst notwendig und mit allem Recht zu allem Bedingten, und daher die Reihe der Bedingungen als vollendet verlangt.“ (BXX)

Bezieht man nun das Unbedingte auf Erfahrungen, entsteht ein Widerspruch, wenn man meint, die Dinge an sich unmittelbar erkennen zu können. Das Unbedingte ist mit den Mitteln der Erfahrung nicht fassbar. Nimmt man stattdessen an, dass die Welt nur als Erscheinung entsprechend der Art und Weise des menschlichen Erkenntnisvermögens erkennbar ist, so fällt der Widerspruch weg.

„In jenem Versuch, das bisherige Verfahren der Metaphysik umzuändern und dadurch, dass wir nach dem Beispiel der Geometer und Naturforscher eine gänzliche Revolution mit derselben vornehmen, besteht nun das Geschäft der Kritik der reinen spekulativen Vernunft. Sie ist ein Traktat von der Methode, nicht ein System der Wissenschaft selbst: aber sie verzeichnet gleichwohl den ganzen Umriss derselben, sowohl in Ansehung ihrer Grenzen, als auch den ganzen Gliederbau derselben.“ (B XXII)

Dass die reine Vernunft neben der Anschauung konstitutiv für die Erkenntnis sei, ist eine Hypothese, die es nachzuweisen gilt. Die KrV behandelt die Methode hierzu. Im Vergleich zu spekulativen Methoden ist der Anspruch gering, denn es wird dabei nicht über die Erfahrung hinausgegangen. Der Nutzen der kritischen Philosophie liegt also nur in einer negativen Bestimmung dessen, was jenseits der Erfahrung liegt.

„Dass Raum und Zeit nur Formen der sinnlichen Anschauung, also nur Bedingungen der Existenz der Dinge als Erscheinungen sind, dass wir ferner keine Verstandesbegriffe, mithin auch gar keine Elemente zur Erkenntnis der Dinge haben, als so fern // diesen Begriffen korrespondierende Anschauung gegeben werden kann, folglich wir von keinem Gegenstand als Ding an sich selbst, sondern nur so fern es Objekt der sinnlichen Anschauung ist, d.i. als Erscheinung, Erkenntnis haben können, wird im analytischen Teil der Kritk bewiesen; woraus dann freilich die Einschränkung aller nur möglichen spekulativen Erkenntnis der Vernunft auf Gegenstände der Erfahrung folgt.“ ((B XXV/B XXVI)

Zu diesem eher destruktiven Aspekt der kritischen Methode fügte Kant auch einen positiven Nutzen hinzu. Indem die KrV die Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit anzeigt, schafft sie ein klares Fundament für die Auseinandersetzung mit den metaphysischen Themen Gott, Freiheit und Unsterblichkeit. Wenn man den Menschen als reines Naturwesen, als reines Objekt, betrachten würde, so wäre er an die Gesetze der Natur und damit an die Kausalität gebunden. Durch die Unterscheidung von Erscheinung und Ding an sich bleibt aber ein Bereich im Denken bewahrt, der Bereich der reinen Verstandesbegriffe, der zum Beispiel die Idee der Freiheit und damit Moral erst ermöglicht.

„So aber, da ich zur Moral nichts weiter brauche, als dass Freiheit sich nur nicht selbst widerspreche, und sich also doch wenigstens denken lasse, ohne nötig zu haben, sie weiter einzusehen, dass sie also dem Naturmechanism eben derselben Handlung (in anderer Beziehung genommen) gar kein Hindernis in den Weg lege: so behauptet die Lehre der Sittlichkeit ihren Platz, […]“ (B XXIX)

Für Kant war es gerade deshalb möglich, Gott, Freiheit und Unsterblichkeit der Seele zu denken, weil die theoretische Vernunft nicht das Wesen der Wirklichkeit (die Dinge an sich) unmittelbar erfassen kann. Indem die kritische Analyse den „Dogmatism der Metaphysik“ zurückweist, ergibt sich Raum für eine systematische Metaphysik.

„Ich musste also das Wissen aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen, […]“ (B XXX).

Indem das Unvernünftige bei Seite geräumt wird, erhält der Glauben seinen Platz. Zugleich wird begründet, warum ein solcher Glauben seine Berechtigung hat. Die Kritik ist also kein Angriff auf die Philosophie als solche, sondern sie wendet sich gegen Irrtümer der bisherigen Schulen und ihrer „arroganten Ansprüche“ (B XXXIV). Sie wendet sich gegen „Philodoxie“, jede Liebe zum bloßen Meinen. (B XXXVII)

Kant betonte am Ende der Vorrede, dass alle Veränderungen gegenüber der ersten Auflage bloß den Zweck hatten, Dunkelheiten zu beseitigen, und inhaltlich an den Aussagen der ersten Auflage keinen Veränderungen vorgenommen wurden.

Einleitung

Reine Erkenntnis

Gegen Rationalisten und Idealisten betont er, dass der Stoff der Wahrnehmung (zeitlicher) Ausgangspunkt von Erkenntnissen ist. Allerdings muss der „rohe Stoff sinnlicher Eindrücke“ erst verarbeitet werden. Wie dies geschieht, ist zu untersuchen. Dabei ist auch Thema, ob es von der Erfahrung unabhängige Erkenntnis gibt. Eine solche Erkenntnis heißt a priori. Ein Beispiel ist der Satz: „jede Veränderung hat ihre Ursache“. (B 2) Kant geht allerdings noch einen Schritt weiter. Über Veränderung kann man nur reden, wenn man zumindest zuvor Erfahrungen gemacht hat. Dem Satz ist nach Kant also Empirisches „beigemischt“. Kant sucht hingegen, ob es „schlechterdings von aller Erfahrung unabhängige“ Erkenntnis gibt. Eine solche Erkenntnis nennt Kant „reine Erkenntnis a priori“.

Erkenntnisse a priori

Kriterium für Sätze a priori sind ihre Notwendigkeit und ihre strenge Allgemeinheit. Empirische Allgemeinheit ist hingegen a posteriori und hängt von Wahrnehmung ab – zum Beispiel: alle Körper sind schwer – und kann sich aufgrund künftiger Wahrnehmung möglicherweise verändern, da sie auf Induktion beruht. Sätze a priori waren für Kant zum Beispiel Sätze der Mathematik. Kant grenzte sich gegen Hume ab, der Kausalität allein als ein aus Gewohnheit abgeleitetes Prinzip ansah. A priori gilt nach Kant der Satz: alle Körper sind ausgedehnt, weil man einen Körper ohne Ausdehnung nicht denken kann, während alle anderen Merkmale wie Größe, Form oder Farbe weggedacht werden können, ohne dass man den Begriff inhaltlich einschränkt.

Wissenschaft a priori

„Die unvermeidlichen Aufgaben der reinen Vernunft selbst sind Gott, Freiheit und Unsterblichkeit.“ (B 7). Diese Themen liegen jenseits aller Erfahrung. Eine Metaphysik als Wissenschaft ist daher nur möglich und sinnvoll, wenn man überhaupt synthetische Aussagen a priori machen kann. In der Mathematik ist dies nach Auffassung von Kant der Fall. Diese Einsicht führt zu der Hoffnung, dass analog auch synthetische Erkenntnisse a priori zur Metaphysik zu finden sind.

Analytische und synthetische Urteile

Analytische Urteile sind Aussagen, in denen das Prädikat eines Satzes implizit im Subjekt enthalten ist (B 10). Der Satz „Ein ungelehrter Mensch ist nicht gelehrt“ (vgl. B 192) ist analytisch. Es entsteht keine neue Erkenntnis, sondern im Begriff des Subjektes ist das Prädikat bereits enthalten. Kant nannte solche Urteile auch Erläuterungsurteile. Bei synthetischen Urteilen wird einem Begriff ein Prädikat hinzugefügt, welches in diesem noch nicht enthalten war. Sie sind Erweiterungsurteile. Urteile, die aus der Erfahrung stammen, also a posteriori sind, sind immer synthetische Urteile (B 11). Alle Körper sind ausgedehnt, ist eine analytische Aussage, denn es gehört zum Begriff des Körpers, dass dieser ausgedehnt ist. Der Begriff „Körper“ bezeichnet also notwendig eine Form des Gegenstandes. Alle Körper sind schwer, ist hingegen eine synthetische Aussage, denn man muss einen Körper erst anheben, um festzustellen, dass er ein Gewicht hat. In diesem Urteile also kommt keine Eigenschaft der Form, sondern dem Sachgehalte des Körpers nach zum Ausdruck, welche niemals a priori sein kann. Da alle Urteile a posteriori synthetisch sind, so ist es auch dieses.

Urteilsarten
a priori a posteriori
analytisch tautologisch
(Logik)
--
(logisch nicht möglich)
synthetisch allgemein & notwendig
(Mathematik und
reine Physik)
empirisch
(Induktion)
synthetische Urteile a priori

Nach der Unterscheidung analytischer Urteile a priori und synthetischer Urteile a posteriori stellte Kant die Frage, wie denn auch synthetische Urteile a priori möglich sind. Ob synthetische Urteile a priori möglich sind, ist nach Kant gleichlautend mit der Frage, ob die Mathematik möglich sei. Die Mathematik ist jedoch eine Tatsache, so dass nicht gefragt werden muss, ob, sondern, wie synthetische Urteile a priori möglich sind. Hat man die Möglichkeit synthetischer Urteile a priori aufgezeigt, so wird auch eine Metaphysik möglich sein, die insgesamt synthetische Urteile a priori enthält.

Kant hat als Beispiel die Mathematik grundsätzlich als synthetisch a priori eingestuft (B 14). Er war also der Auffassung, dass neben der Logik (dem Satz vom Widerspruch) auch die Anschauung notwendig ist, um in der Mathematik zu Erkenntnis erweiternden Aussagen zu kommen. Er verdeutlichte dies an der einfachen Gleichung 7 + 5 = 12 (B 14). Der Begriff 12 ist weder im Begriff 7, noch im Begriff 5, noch im Begriff der Summe unmittelbar enthalten. Man braucht zusätzlich die Sukzession der Zeit, um die Aussage zu bestätigen, da auf der Sukzession der Zeit das Zählen beruhe. Die Zahl zwölf erhält man erst durch eine gedankliche Konstruktion, die auf Anschauung beruht. Diese Auffassung Kants wird bestritten, nachdem Giuseppe Peano zeigen konnte, dass man jede Zahl aus einer allgemeinen Definition der natürlichen Zahlen ableiten kann. Im frühen zwanzigsten Jahrhundert wurde die Gegenposition als Logizismus bekannt. Dies bedeutet, dass man die Mathematik analytisch a priori aufbauen kann.<ref>Quine lehnte in seinem Aufsatz „Zwei Dogmen des Empirismus“ sogar die Unterscheidung analytisch und synthetisch überhaupt ab.</ref> Eine gewisse Unterstützung findet die Sicht Kants im mathematischen Intuitionismus.

Kants Beispiel einer synthetischen Geometrie a priori verdeutlichte er anhand einer Geraden als kürzester Verbindung zwischen zwei Punkten (B 16). Die Idee einer Geraden findet man nur durch Anschauung. Sie ist allgemein und notwendig, weil die kürzeste Verbindung anders nicht konstruierbar ist. Die Gültigkeit der Geometrie als Beispiel synthetischer Urteile a priori wird seit der Entwicklung der nicht-euklidischen Geometrie ebenfalls abgelehnt. Für synthetische Aussagen a priori in der Physik nannte Kant als Beispiele die Erhaltung der Quantität der Materie und die Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung (B 17-18), das dritte Axiom Newtons.

Aufgabe der reinen Vernunft

Unabhängig davon, wie man die Beispiele Kants angesichts der Weiterentwicklung der Wissenschaften beurteilt, ergeben sich aus der allgemeinen Frage, wie synthetische Urteile a priori möglich sind, die drei konkreten Fragen Kants

  • Wie ist reine Mathematik möglich?
  • Wie ist reine Naturwissenschaft möglich?
  • Wie ist Metaphysik als Wissenschaft möglich?

Diesen drei Fragen ist die ganze KrV gewidmet - sie werden insbesondere in den drei großen Abschnitten des ersten Teils (der transzendentalen Elementarlehre) der KrV behandelt, nämlich in der Transzendentalen Ästhetik eine Theorie der Mathematik, in der Transzendentalen Analytik eine Begründung der Naturwissenschaft und in der Transzendentalen Dialektik die Art und Weise, wie Metaphysik als Wissenschaft möglich ist.

Die transzendentale Elementarlehre

Der erste Hauptabschnitt der Schrift, die Transzendentale Elementarlehre, gliedert sich in zwei Teile, die Transzendentale Ästhetik als Theorie der Wahrnehmung und die Transzendentale Logik. als Theorie des Denkens. In der transzendentalen Elementarlehre zeigt Kant, wie objektive Realität erst im Erkenntnisprozess entsteht.

  • Gedanken ohne Inhalt sind leer: Die Transzendentale Ästhetik behandelt das Problem, wie, aufgrund der affektiven Sinnlichkeit des Menschen, in der Anschauung die empirischen Gegenstände möglich werden und in Raum und Zeit als wirklich erscheinen können.
  • Anschauungen ohne Begriffe sind blind: Die Transzendentale Logik fragt, in welchem Verhältnis Anschauungen und Begriffe stehen müssen, damit ein Gegenstand erkannt werden kann. Die reine Logik handelt von apriorischen Prinzipien und beschäftigt sich mit einer Leistung des Verstandes.

Sinnlichkeit und Verstand sind die beiden Wurzeln der Erkenntnis:

Durch die Anschauung werden die Gegenstände empirisch vorgegeben und durch den Verstand begrifflich gedacht. Raum und Zeit sind für Kant Formen der Anschauung und damit unabhängig und vor aller Erfahrung (a priori). Die Leistung des formenden (logischen) Geistes bringt die erkennbare, nach notwendigen Gesetzen erzeugte Erscheinungswirklichkeit hervor, die im Gemüt (also letztlich im menschlichen Bewusstsein) durch die Verstandeskategorien (Quantität, Qualität, Relation, Modalität) konstituiert wird. Die Logik des menschlichen Verstandes erzeugt aus der Erfahrung des Mannigfaltigen die Erkenntnis.

Die transzendentale Ästhetik, Überblick

In der transzendentalen Ästhetik wird das Vermögen der Sinneserkenntnis untersucht. Sie ist vornehmlich eine Theorie der Wahrnehmung als Erkenntnisquelle, also keine physiologische Untersuchung. Zugleich ist sie aber auch eine Theorie von Raum und Zeit und zusätzlich eine Theorie der Mathematik. Sinnlichkeit ist das in uns liegende Vermögen von etwas, das außerhalb uns ist, affiziert zu werden. Die Sinnlichkeit, und nur sie allein, liefert uns Anschauungen, die bereits in einer räumlichen und zeitlichen Einheit geordnet sind. Einzelvorstellungen sind bereits geformter Stoff von Ordnungsprinzipien, die selbst nicht aus der Empfindung stammen. Es sind nach Kant also nicht die Dinge an sich erkennbar, sondern nur deren Erscheinungen (Phänomene).
Ausgehend von der Beobachtung, dass Erkenntnis auf der Erfahrung der Natur beruht, stellt Kant die transzendentale Frage nach der Bedingung der Möglichkeit der Erkenntnis bzw. als Aufgabe der reinen Vernunft die Frage: „Wie sind synthetische Urteile a priori möglich?“.
Die raum-zeitliche Synthese von Vorstellungen im denkenden Bewusstsein stellt das Erkenntnisobjekt her. Die Wirklichkeit, die wir wahrnehmen, werde vom Subjekt hervorgerufen (vgl. Subjektivismus). So kann auch interpretiert werden, dass Mathematik keine Entdeckung, sondern bloß Produkt des menschlichen Denkens ist. Für Kant ist Mathematik Erkenntnis a priori schlechthin: Lösungen mathematischer Probleme existieren a priori im erkennenden Geist; beim Demonstrieren bringt der Mathematiker durch Konstruktion das hervor, was er selbst nach Begriffen a priori hineindenkt (vgl. Vorrede zur 2. Auflage, 1787, B XI-XII).
Weitere Vertiefung unter: Transzendentale Ästhetik

Transzendentale Logik, Überblick

Transzendentale Analytik

Die transzendentale Ästhetik zeigte, dass Begriffe ohne Anschauungen leer sind. Dass Anschauungen ohne Begriffe blind sind, belegt die transzendentale Analytik, als erster Abschnitt der transzendentalen Logik. Diese Logik befasst sich mit den Gesetzen des formalen Denkens, sofern sie a priori auf Gegenstände der Anschauung bezogen werden können. Im Gegensatz zur allgemeinen Logik, die sich mit jeglichem Verstandesgebrauch, ob reinem oder empirischem, beschäftigt, bezieht sich die transzendentale Logik also nur auf den reinen, nichtempirischen Verstandesgebrauch.

Analytik der Begriffe
Kants Kategorientafel
Quantität Qualität Relation Modalität
Einheit Realität Substanz und Akzidenz Möglichkeit
Vielheit Negation Ursache und Wirkung Existenz
Allheit Limitation Wechselwirkung Notwendigkeit

Dazu untersuchte Kant die Tätigkeit des Verstandes. „Verstehen“ heißt „Urteilen“. Dieses geschieht durch Begriffe: Urteile sind Verbindungen von Begriffen zu einem höheren Begriff und schließlich Vermittlungen zur Einheit. Aus der Tradition der Logik übernahm Kant die Urteilstafel, die er als apriorischen Leitfaden der Einheitsstiftung des Verstandes deutet. Aus der Urteilstafel "deduzierte" er die Kategorien, die a priori und transzendental gelten. Die Kategorien sind reine Verstandesbegriffe, die der Mensch mit seiner Fähigkeit des aktiven Denkens (mit der Spontaneität des Verstandes) einsetzt, um die passiv (rezeptiv) empfangenen Wahrnehmungen zu strukturieren. Der Verstand erbringt aktiv eine synthetisierende Leistung, um die Mannigfaltigkeit der Sinneseindrücke zu einer Erkenntnis zusammenzufügen.

Wie sich die Verstandeskategorien a priori auf Gegenstände der Anschauung beziehen, wird im Kapitel zur transzendentalen Deduktion untersucht. Der Grundgedanke ist folgender: Die Bedingungen, unter denen der Mensch sich seiner selbst als in der Zeit identisches Subjekt bewusst werden kann, und die Bedingungen, unter denen er von Gegenständen Erfahrung haben kann, verweisen aufeinander. Ohne durchgängiges Selbstbewusstsein keine Erfahrung und vice versa. Das „Ich denke“, die transzendentale Apperzeption, muss alle Vorstellungen begleiten können. Das notwendig subjektive „Ich denke“ ist die objektive Bedingung für das Erkennen von Gegenständen. In einem zweiten Schritt zeigte Kant, dass die Kategorien zudem die Gesetzmäßigkeit der Gegenstände bestimmen. Gesetze existieren nicht in den Erscheinungen, sondern nur in deren Bezug auf das Subjekt. Die Kategorien sind somit allgemein und notwendig. Objektive Erkenntnis ist immer relativ auf die Erkenntnisfähigkeit des Subjekts.

Analytik der Grundsätze

Wie Kategorien auf die Gegenstände der Erfahrung angewandt werden, erörterte Kant in der Analytik der Grundsätze, die er auch als Transzendentale Doktrin der Urteilskraft bezeichnete. Sie ist das Vermögen, etwas unter Verstandesregeln zu subsumieren. Woran erkennt man beispielsweise, wann man es in der Anschauung mit einer Substanz zu tun hat, wenn die Kategorie der Substanz im Verstande liegt? Zwischen Anschauungen und Kategorientafel vermitteln transzendentale Schemata der Zeit (Zeitreihe, Zeitordnung, Zeitinhalt und Zeitinbegriff).

Aus der Kategorientafel entwickelte Kant das System der Grundsätze. Dies sind synthetische Urteile a priori, die als Bedingungen von Naturerkenntnis und damit als Fundamentalgesetze der Natur fungieren. Unterschieden wird in (1.) Axiome der Anschauung, (2.) Antizipationen der Wahrnehmung, (3.) Analogien der Erfahrung und (4.) Postulate des empirischen Denkens. Die ersten beiden Grundsätze, die mathematischen, lassen uns die Dinge als extensive und intensive Größen erkennen. Die letzten beiden, die dynamischen Grundsätze, bestimmen das Dasein der Dinge: die Analogien bestimmen es nach dem Verhältnis der Gegenstände untereinander, die Postulate nach dem Verhältnis, welches die Erscheinungen in Bezug auf das Erkenntnisvermögen besitzen. Alle Grundsätze sind genau und nur Prinzipien a priori der Möglichkeit von Erfahrung. Sie liegen jeder Einzelwissenschaft zugrunde.

In der Analytik zeigte Kant wie reine Naturwissenschaft möglich ist. Die gesetzmäßige Ordnung der Erscheinungen nennen wir Natur, ihre Gesetze Naturgesetze. Ihr Ursprung liegt im Verstande. Und so konnte Kant sagen, dass die Bedingungen der Erkenntnis der Gegenstände zugleich die Bedingungen der Gegenstände der Erkenntnis sind. Eine Revolution der Denkart, die gemeinhin als kopernikanische Wende gilt. Dies ist jedoch nur eine Metapher für den Wechsel der Perspektive, den Kant in die Erkenntnistheorie eingebracht hat.

Phänomena und Noumena

Nach dem Kant hergeleitet hatte, dass sich Erkenntnis aus dem Zusammenspiel von rezeptiver Sinnlichkeit und spontaner Verstandestätigkeit durch synthetisierende Prozesse nach Schemata und Prinzipien erfolgt, schloss er die transzendentale Analytik mit einer abgrenzenden Betrachtung. Die gegenständliche Welt stellt sich dem Menschen als Erscheinung, als Phänomenon, dar. Um sich in der Welt zu orientieren, strebt die Vernunft nach immer weiter gehender Erkenntnis. Kant stellte nun die Frage, ob man jenseits der sinnlichen Welt auch eine unabhängige Welt des reinen Verstandes mit reinen Gedankendingen, Noumena, erkennen kann. Dies lehnte er ab. Rein aus dem Verstand kann der Mensch keine zusätzliche Anschauung gewinnen. Der Begriff des Noumenon ist leer. Das Reden über Gedankendinge hat nur den Zweck, über die Grenze des Erkennbaren zu sprechen. Solche Gedankendinge ermöglichen keinen Zugang zu einer transzendenten Welt.

Transzendentale Dialektik

Gegenstand der transzendentalen Dialektik ist die Vernunft im engeren Sinne. So wie der Verstand die Mannigfaltigkeit der sinnlichen Empfindungen unter Begriffe subsumiert, so strukturiert die Vernunft die im Verstand gewonnenen Vorstellungen. Die Vernunft ist das Vermögen, die Begriffe des Verstandes unter Prinzipien zu bringen. Sie befasst sich niemals unmittelbar mit den sinnlichen Empfindungen, sondern geht immer nur auf die Begriffe und Urteile des Verstandes.

Aufgrund ihrer Eigenart strebt die Vernunft nach immer weiterer Erkenntnis. Jedes erkannte Phänomen ist ein Bedingtes. Die Vernunft sucht das dahinterstehende Bedingende. In einem fortgesetzten Prozess muss sie dabei zwangsläufig bei einem ersten Bedingenden anlangen, das selbst ein Unbedingtes ist. Dieses Unbedingte ist in dreifacher Weise denkbar. Im Bereich des inneren Sinnes ist es das Subjekt, das sich selbst denkt. Dessen Absolutheit ist die unsterbliche Seele. Diese ist Gegenstand der rationalen Psychologie. Rational bedeutet, dass die Untersuchung losgelöst von empirischen Gehalten erfolgt. In der äußeren Sphäre ist die Totalität die Einheit aller Objekte, also das unendliche Universum. Dieses wird in der rationalen Kosmologie behandelt. Schließlich bedürfen Seele und Welt eines einheitlichen ewigen Urgrundes, eines Wesens des Wesens, also Gottes. Dieser ist Gegenstand der rationalen Theologie.

Das Gebiet der transzendentalen Dialektik ist damit der Bereich der klassischen speziellen Metaphysik. Kant nannte diesen Teil der KrV Dialektik, weil aus seiner Sicht der Versuch, über das Unbedingte Erkenntnisse erlangen zu wollen, sich notwendig in Widersprüche verwickeln muss. Seele, Welt und Gott sind reine Gedankendinge, die keine Grundlage in einer sinnlichen Anschauung haben. Wenn diese Gedankendinge, die Kant Vernunftideen nannte, als reale Gegenstände aufgefasst werden, entsteht lediglich ein transzendentaler Schein. Dieses zu zeigen ist Hauptaufgabe der transzendentalen Dialektik. Sie ist insofern eine ausführliche Kritik der klassischen Metaphysik. Diese Kritik wird ausgeführt in den drei Hauptstücken über

  • Paralogismen: Kritik der rationalen Psychologie
  • Antinomien: Kritik der rationalen Kosmologie
  • Ideal der reinen Vernunft: Kritik der rationalen Theologie, insbesondere der Gottesbeweise.

Die reine Vernunft ist keine konstitutive Quelle der Erkenntnis. Der spekulative Gebrauch ihrer Prinzipien ist unnütz. Von den Ideen der Vernunft kann sinnvoll nur ein kritischer und regulativer Gebrauch gemacht werden.

Weitere Vertiefung unter: Transzendentale Logik, Transzendentale Analytik, Transzendentale Dialektik

Transzendentale Methodenlehre (Überblick)

Nach Kant enthält die Methodenlehre die „Bestimmungen der formalen Bedingungen eines vollständigen Systems der reinen Vernunft“ (B. 735 f.). Während die transzendentale Elementarlehre die Grundlagen der Erkenntnis bereit stellt, enthält die Methodenlehre die Skizze für ein System der Philosophie.

Disziplin der reinen Vernunft

Die Disziplin soll helfen, Irrtümer zu vermeiden, die aus unangemessenen Methoden entspringen. Die klassische, dogmatische Methode der Philosophie hält Kant für unangemessen. Sie ist der Mathematik abgeschaut, die - wie Kant zeigt - in einer reinen, erfahrungsunabhängigen Anschauung Begriffe und Verhältnisse konstruiert, um dann erst Erkenntnisse zu gewinnen. Die Mathematik gründet ihr Wissen auf Axiomen, Definitionen und Demonstrationen. Der Philosophie ist dies nach Kant verwehrt. Sie muss ihre Erkenntnisse aus Begriffen gewinnen. Kant lehnt ebenfalls die polemische Methode ab, denn die Philosophie selber kenne keine Polemik. Die skeptische Methode David Humes sieht Kant nur als eine Etappe im philosophischen Räsonieren. Als einzig angemessene Methode kommt nach Kant der kritische Weg in Betracht, der sich durch Konzentration auf und Bindung an die Anschauungsformen Raum und Zeit, die Kategorien und die regulativen Vernunftideen auszeichnet.

Kanon der reinen Vernunft

Während die Disziplin eine Negativlehre ist, zeigt der Kanon nun, was erlaubt ist. Allerdings betrifft er nur den praktischen Gebrauch der reinen Vernunft. Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit der Frage, ob der Mensch auf Glückseligkeit hoffen darf, wenn er das Sittengesetz befolgt. Kants Antwort lautete: Wir dürfen auf Glückseligkeit hoffen, wenn es Gott gibt und wenn unser Leben nicht schon mit dem körperlichen Tod endet. Die Untersuchung des transzendentalen Scheins in der Dialektik hat gezeigt, dass es dem Menschen möglich ist, Freiheit, Gott und eine unsterbliche Seele zwar nicht als Dinge, so doch als regulative Ideen anzunehmen.

Architektonik der reinen Vernunft

In diesem Abschnitt entwarf Kant die Struktur für ein nach seiner Auffassung vollständiges System der Philosophie. Die Metaphysik vollendet die Kultur der menschlichen Vernunft. Sie ist eine Theorie der Bedingungen der Möglichkeit aller anderen Wissenschaften. Vor allem aber bestimmt sie die praktischen Maximen von Moral und Politik.




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Überarbeitung: Denis Diderot 13:42, 9. Apr 2009 (CEST)